Erforschungen des Vagen
    Veränderlichkeit als Gestaltungsprinzip:
    Saskia Bannaschs ästhetische Versuchsanordnungen

    Das Vage, im Sinne des Sich-Entziehenden, Unbeständigen und Flüchtigen, bildet den schwer fassbaren Kern und Antrieb von Saskia Bannaschs künstlerischer Forschung. Statt der üblichen erkenntnisleitenden Verfahren, Thesen durch entsprechende Beweisführung „dingfest“ zu machen oder Ursache und Wirkung ergebnisgerichtet zu verknüpfen, setzt die Künstlerin in ihren Arbeiten auf offene Prozesse, die lediglich angestoßen werden, bevor sie den autonomen Dynamiken von (natur-)stofflicher Wandlung, Zeitverläufen und Zufallsentwicklungen überlassen werden. „In der Wissenschaft werden Untersuchungen so optimiert, dass jegliche Vagheit keinen Platz mehr hat“, so Bannasch. „Im Falle meiner Aufbauten ist die Vagheit Punkt der Untersuchung.“[1] Ein prägender Arbeitsaufenthalt in Island 2015 war Anstoß ihres andauernden Forschungsprojekts. In Island, bestimmt von jähen Wetterwechseln und eruptiven Naturgewalten, begann sich die Künstlerin verstärkt mit instabilen, mutablen Materialien wie Eis, Salz, Metall, Ton und Wasser zu beschäftigen und ihr Konzept des Vagen zu entwickeln. Die verschiedenen Manifestationen ihres Work-in-Progress, von Installationen bis hin zu Video-Arbeiten, versteht die Künstlerin als „Archiv des Ephemeren“. So lautet auch der Titel einer Serie von Fotografien, die oftmals als einzige Belege eines nicht mehr vorhandenen Versuchsaufbaus existieren.

    Bewegung und Transformation, in denen Bannaschs Erfahrungen in den Feldern Tanz und Performance nachklingen, nehmen auf unterschiedliche Weise in ihren Arbeiten vorübergehende Form an. Essenziell ist dabei das momenthafte Phänomen von Zwischen- oder Schwebezuständen, die sich im nächsten Augenblick wieder verflüchtigen und verändern können. Ansätze der Arte Povera, oder auch der alchemistischen Verfallskunst wie sie insbesondere Dieter Roth oder auch Joseph Beuys praktiziert haben, schwingen darin ebenso mit wie fernöstliche Schönheitsauffassungen, die „nicht die Dauer eines Zustandes, sondern die Flüchtigkeit eines Überganges[2] zum Gegenstand haben: „Schön ist nicht das Klare oder das Transparente, sondern das nicht hart Abgegrenzte, das nicht klar Unterschiedene, das jedoch vom Diffusen zu unterscheiden ist. Das Diffuse ist wie das Unbestimmte der Zustand, der durch eine Zufuhr von weiteren Bestimmungen und Unterscheidungen zu beheben ist. Es harrt einer Präzision. Der Zustand der In-Differenz dagegen ist bereits in sich evident. Er genügt sich, hat eine eigene Bestimmtheit.“[3]

    Bannasch hat eine Affinität zur japanischen Kultur und sich unter anderem mit der Mitte der 1960er-Jahre in Tokio in Erscheinung tretenden anti-industriellen Mono-ha-Bewegung (Schule der Dinge) beschäfigt, die sich prozesshaften Materialuntersuchungen widmete. Ihre Idee des Vagen lässt auch an den japanischen Stilbegriff „Wabi“ denken, der wie der Philosoph Byung-Chul Han erläutert hat, „in sich das Unvollendete, das Unvollkommene, das Vergängliche, das Zerbrechliche und das Unscheinbare“[4] bündelt.

    Die Arbeiten der Künstlerin entstehen aus Experimenten mit Wechselwirkungen des Werdens und Vergehens, der Verdichtung ebenso wie der Verflüssigung: ein Zusammenspiel zwischen gestalterisch gesetzten Parametern und organischem Wildwuchs, der sich auf unvorhersehbare Weise auf einem gegebenen Untergrund niederschlägt oder abzeichnet. In einer Werkgruppe hat sich Bannasch mit Kristallisationsprozessen befasst, die sich auf in hochkonzentrierter Salzlauge eingelegten Stoffbahnen oder Knotungen bilden. In einer weiteren Serie, in der eingefrorene textile Gebilde mit Kupferrohren verbunden sind, ist sie der Dialektik zwischen Kälte und Wärme auf der Spur, indem sie den Schmelzvorgang des gefrorenen Stoffes als wesentlichen Teil der Arbeit fotografisch festhält. In wieder anderen Arbeiten treffen organische Korrosionen und präzise textile Faltungen aufeinander: Letztere thematisieren das Zusammenspiel von Fläche und Räumlichkeit, innen und außen, offen und geschlossen, zeigen und verbergen. Einige Versuchsanordnungen sind kurzfristig, andere auf längere Dauer angelegt. Das Ephemere ist ihnen prinzipiell eigen: So kann eine Arbeit aus dem am Ort der Präsentation in situ zu präzisem Rechteck auf dem Boden zusammengefegten Staub bestehen, der anschließend durch die Bewegungen der Betrachterinnen und Betrachter wieder zerstreut wird; oder im Abdruck rostiger Nägel auf einem Baumwolltuch; oder aber im Wachstum eines Kombucha-Pilzes, der in gezuckerter Tee-Lösung eingelegt zum Material für weitere Gestaltgebungen wird.

    Insofern ist Bannaschs Werkbegriff fließend: Die aus Prozessen heraus entstehenden Arbeiten artikulieren sich als „,lebendige‘ Formen“[5] in verschiedenen Stufen und Aggregatzuständen sowie in den von diesen zurückgelassenen Rückständen. Ebenso kann die fotografische oder zeichnerische Dokumentation, in der die produzierten oder natürlich gewachsenen Objekte festgehalten sind, zur eigentlichen Arbeit werden. So ist bei einer Serie von völlig zweckfrei geschaffenen Keramik-Werkzeugen nicht deren skulpturale Präsenz entscheidend, sondern die mit diesen von der Künstlerin ausgeführten, fotografisch erfassten Handlungen. An dieser Stelle rückt nochmals das performative, bewegungsbestimmte Moment ihres ästhetischen Ansatzes in den Fokus, in dem das „Eigenleben“ und „die Lebendigkeit der ,Materie Natur‘“[6] gleichermaßen einkalkuliert wie auch in freiem Lauf gehalten werden. Insofern bleibt das Konzept des Vagen, das im Zentrum von Saskia Bannaschs künstlerischer Auseinandersetzung liegt, als Figur des ständigen Übergangs ergebnisoffen: eine unbegrenzte Materialerforschung, die im Austarieren der vielen Nuancierungen, in denen sich das Vage und Ephemere physisch im Raum der Bilder und im konkreten Raum zu erkennen gibt, wandelbare Form(en) annimmt.

    Belinda Grace Gardner

     

    [1] Saskia Bannasch in einer E-Mail an die Autorin vom 5. Oktober 2020.
    [2] Byung-Chul Han: Abwesen. Zur Kultur und Philosophie des Fernen Ostens, Berlin: Merve Verlag, 2007, S. 59.
    [3] Ebd., S. 59-62.
    [4] Ebd., S. 62.
    [5] Vgl. Heinz Thiel, Natur – Kunst, in: Kunstforum International, hrsg. v. Dieter Bechtloff, Natur – Kunst, Bd. 48, 2/1982, S. 32.
    [6] Ebd.

    Investigations of the Vague
    Mutability as a formal principle:
    Saskia Bannasch’s experimental aesthetic configurations

    The vague, in the sense of the evasive, impermanent, and ephemeral, forms the elusive core and impetus of Saskia Bannasch’s artistic research. Instead of the common epistemological procedures of confirming theses by means of corresponding evidence or by linking cause and effect in a result-oriented manner, the artist relies in her works on open processes. She merely triggers these, allowing the autonomous dynamics of (naturally induced) transformation, the passage of time, and of chance developments to unfold. As Bannash has stated, “In science, studies are optimized in such a way that there is no scope for any vagueness. In the case of my experiments, vagueness is the point of the investigation.”[1] A decisive residency in Iceland in 2015 triggered her ongoing research project. In Iceland, which is determined by sudden changes in the weather and eruptive forces of nature, the artist began to increasingly explore unstable, mutable materials such as ice, salt, metal, clay, and water, and to advance her concept of the vague. The artist regards the various manifestations of her work-in-progress, ranging from spatial installations to video works, as an “archive of the ephemeral.” This is also the title of a series of photographs, which often remain as the sole records of an experimental set-up that no longer exists.

    In various ways, movement and transformation, reverberations of Bannasch’s experiences in the fields of dance and performance, take temporary shape in the artist’s works. Here, the transient phenomena of states of intermediacy or suspension, which may shift or disappear again in the next moment, are of essential significance. Approaches of Arte Povera, or also of the alchemical art of decay and corrosion, as practiced particularly by Dieter Roth or also Joseph Beuys, resonate here as well as Far-Eastern notions of beauty, which do not have “the permanence of a condition, but rather the elusiveness of a transition[2] as their subject: “Beautiful is not that which is clear or transparent, but rather that which is not sharply delineated and distinctly defined; yet this should be distinguished from that which is diffuse. Like the indeterminate, the diffuse is a state that must be resolved by supplementing it with further determinations and distinctions. It is awaiting precision. Yet the state of in-difference is already evident in itself. It is sufficient in itself, and has its own determination.”[3]

    Bannasch has an affinity to Japanese culture and, among other things, has engaged with the anti-industrial Mono-ha (School of Things) movement that in the mid-1960s dedicated itself to processual material explorations. Her idea of the vague also recalls the Japanese ‘wabi’ aesthetic outlined by the philosopher Byung-Chul Han, which conjoins “in itself the incomplete, the imperfect, the transitory, the fragile, and the inconspicuous.”[4]

    The artist’s works emerge from experiments with the correlations between creation and disintegration, compression and liquefaction: an interplay between aesthetically defined parameters and uncontrolled organic growth, which manifests itself on a given surface in unpredictable ways. In one group of works, Bannasch has investigated crystallizations that develop on lengths of fabric or knotted elements, which have been immersed in highly concentrated salt solution. In a further series, in which frozen textile formations are connected to copper pipes, she investigates the dialectic between coldness and heat, by photographically capturing the melting process of the frozen fabric as an essential part of the work. In yet other works, organic corrosions and precisely pleated textiles converge. The latter address the relationship between surface and space, inside and outside, open and closed, revealing and concealing. Some experiments are conceived as short-term, others as longer-term procedures. However, all of these are defined by the ephemeral. Thus, a work may consist of dust that has been swept together in situ at the place of presentation into a precise rectangle on the floor, which is subsequently scattered again by the movements of the viewers; or it might take shape in the imprint of rusty nails on a piece of cotton fabric; or in the growth of a kombucha fungus, which, soaked in sugared tea solution, becomes the material for further formations.

    In this sense, Bannasch’s aesthetic concept is in a constant state of flux. The works that emerge from various processes articulate themselves as “‘living’ forms” [5] in different stages and states of aggregation as well as in the residues they have left behind. Similarly, the photographic documentations or drawings, in which the constructed or naturally evolving objects are recorded, can become the actual work. Thus, in the case of a series of ceramic tools created as entirely purpose-free objects, it is not their sculptural presence that is the decisive factor, but rather the actions performed with these and photographically documented by the artist. At this point, the performative, motion-determined aspect of her aesthetic approach once again comes into focus in which the “autonomous life” and the “vitality of ‘nature as matter’”[6] is both taken into account and kept in a free flow. Thus, as a configuration of constant transition, the concept of the vague, which lies at the center of Saskia Bannasch’s aesthetic project, remains open-ended: a limitless exploration of materials, which assumes mutable forms in the course of the artist’s probing of the multifold nuances in which the vague and the ephemeral physically manifest themselves in the sphere of images and in the concrete space.

    Belinda Grace Gardner

     

    [1] Saskia Bannasch in an email to the author on October 5, 2020.
    [2] Cf. Byung-Chul Han: Abwesen. Zur Kultur und Philosophie des Fernen Ostens, Berlin: Merve Verlag, 2007, p. 59.
    [3] Cf. ibid., p. 59-62.
    [4] Cf. ibid., p. 62.
    [5] Cf. Heinz Thiel, Natur – Kunst, in: Kunstforum International, ed. by Dieter Bechtloff, Natur – Kunst, vol. 48, 2/1982, p. 32.
    [6] Cf. ibid.

    [All quotations transl. into the Engl. by the author].

    Unwägbare Wolken.
    Für eine Formwandlerin

    Wolken sind Ansammlungen von sehr feinen Wassertropfen oder von Eiskristallen in der Atmosphäre. Sie werden erst durch Strahlungen sichtbar und geben sich dem menschlichen Auge dann als jene Form zu erkennen, die wir am Himmel als Wolken bezeichnen. In Saskia Bannaschs Arbeiten tauchen verschiedene Zustände von Wasser auf. Schmelzwasser. Regenpfützen. Eiskristalle. Immer wieder geht es auch um die Hin- und Her-Bewegung zwischen etwas klar Umrissenem und etwas, was sich wieder entzieht und in Transformation befindlich ist. Wolkige Aussichten. Auch stellt sich manchmal die Frage, was die eigentliche Arbeit sei. Ein Bild. Ein Prozess. Eine Performance. Die präzisen Beobachtungen formulieren sich zu einem prozessualen Nachdenken. Immer wieder wird ein Moment kurz festgehalten, um ihn dann weiterziehen zu lassen.

    Eine kann sich ‚in eine Wolke hüllen‘. Aus Worten. Aus Stoffen. In „Later everything will be different“ sehen wir eine Steinwüste in Graunuancen. Zentral im Bild ist ein Körper gehüllt in grauen Stoff mit schwarzem Innenfutter. Wir hören Wind. Island. In Anbetracht imposanter wie bedrohlicher Naturgewalten gilt es eine Balance zu halten, einen Umgang mit Unwägbarem zu finden, einem Aushalten Raum zu geben und vielleicht auch eine Form. So sehen wir eine Figur als einen umrissenen Körper gehüllt in immer neue Faltenwürfe. Wie sie im Figur-Grund-Spiel des Videoloops auftaucht und eintaucht in die monochrome Landschaft.

    Saskia Bannasch bringt eine Pfütze zum Klingen. Sie friert das trübe graugelbe Regenwasser ein und lässt es im Ausstellungsraum auf eine Kupferplatte langsam tropfend auftauen. Eine aufwändige Konstruktion, einem Versuchsaufbau gleich, nur für eine Pfütze, wie die Arbeit auch betitelt ist: „Just a puddle“. Verstärkt von Kontaktmikrofonen füllt der Klang der schmelzenden Eispfütze den Ausstellungsraum. Es dauert bis der erste Tropfen blechern erklingt. Danach eine Stille, bis eine Ansammlung von Tropfen den Raum in Beschlag nimmt. Das Wasser wiederum hinterlässt Spuren auf dem empfindlichen Kupferblech. In Zwischentönen ist die Präsenz der Pfütze eine andere geworden.

    Wie ein „Archiv des Ephemeren“ anlegen? In Fotografien werden Transformationsprozesse von Dingen und Materialitäten begleitet, protegiert, festgehalten. Verdichtet-verdickter Reiszucker, der wie Kunststoff wird und sich zähflüssig-geschmeidig über ein Stück Kohle windet („To be true blue“). Ein von Salzkristallen überzogener Monkey Fist-Knoten schwimmend in einem fotografisch angeschnittenen Glaszylinder. Die Veränderung eines Kombucha Pilzes in „Unknown flying object”, der aussieht wie ein deformierter beiger Burger oder ein alienhaftes Macaron. Die glänzend-glitschige Präsenz in einem Karamellton mit weißen Schleiern wird über Tage dokumentiert. Das unbekannte Objekt wird ledriger, trocknet langsam aus, verdichtet sich, verliert den Glanz, greift immer mehr in den fotografischen Hintergrund ein. Im präzis beobachteten Prozess holt der Pilz diesen ins Sichtbare hervor, indem er Falten in den Stoff zieht, wo eigentlich kein Blick dran haften sollte.
    Die surrealen Settings der Archivmomente zeigen ephemere Situationen, die sich eindeutigen Einordnungen entziehen. Im exakten Blick des gesetzten Bildausschnitts wird Vertrautes förmlich unheimlich-bizarr.

    Eine genässte, gefaltete, gefrorene Stoffbahn auf einem Gestell aus Kupferrohren: „drop II / the radiator“. Vier Meter Stoff sind durch Faltung auf einen halben vereisten Meter komprimiert. Im Voranschreiten der Zeit entfaltet sich die Skulptur im Ausstellungsraum: der Zustand kühler Kompaktheit wird zu einem Stoff im langsam genässten Fall. Die prozessuale Auffaltung verändert die skulpturale Setzung, die Stoffbahn schlängelt sich an und um die Kupferrohre auf denen sie zu Beginn noch eiskalt und fest definiert lag. Der Prozess der Auffaltung kann geduldig betrachtet werden, das Auftauen ist ein Prozess, der in Sprüngen voranschreitet: Die Falte dehnt sich und fällt. Die Stoffbahn zieht sich langsam von ihrem genässten Eigengewicht glatt.
    Eine Anmutung eleganter Süßigkeiten hat „drop I,quickmatch“ für mich auf den ersten Blick: Im Ausstellungsraum ist auf einem Kupferrohr eine kugelähnliche Form platziert, die aus einer geeisten roten Stoffbahn besteht. Es könnte auch eine Blüte sein, wie eine abstrakte digitale Rose. Der Titel verweist auf Streichhölzer und Zündschnüre, doch brennen wird in dieser Coolness so schnell nichts. Auch die Assoziation zum übergroßen Lollipop kippt im Laufe der Zeit: Es entsteht ein Tauprozess, der aus der skulpturalen Setzung schon im nächsten Moment etwas anderes macht bzw. hervortreten lässt. Eine Entfaltung beginnt, mit der Schwerkraft zieht sich der rote nasse Stoff Richtung Boden, und zum Schluss stehen wir einer Stoffbahn gegenüber, die wie eine hängende Flagge, von etwas kündet, was sich unserer Einordnung entzieht.

    In der Anordnung experimenteller Settings entstehen zwischen gelenkten Zufällen und cooler Präzision die künstlerischen Arbeiten von Saskia Bannasch. Sie gehorchen jedoch nicht naturwissenschaftlichen Kriterien, sondern vielmehr ästhetischen. In der Arbeit „past earthquake“ hinterlässt ein mit unzähligen Nägeln bestücktes Brett rostige Spuren auf zartem Stoff. Über Wochen in eine Salzlake gelegt, beeinflussen sich die Komponenten gegenseitig. Die Rostzeichnung bleibt auch beim Waschen des Textils präsent, wird Teil der plissierten Installation. Auf zwei Holzhalbbögen gespannt wirft der fein gefaltete Stoff Schattenlagen an die Wand. Die eingeschlagenen Nägel im Holz hallen nur noch als rostbraune Färbung nach. Der Titel beschwört die sogenannte Ruhe nach dem Sturm, die seltsame Stille nach eindrucksvollen (Natur)Ereignissen. Sensationen, die noch weiter beben, die manifeste Spuren hinterlassen. In subtilen Gesten entwickelt die Künstlerin daraus einen skulpturalen Raum, der von einer Zartheit der Dinge kündet.

    Ihre Arbeiten zeigen sich als künstlerisch-forschende Beobachtungen. Sie sind an den Prozessen interessiert und entwickeln sich in Bewegungen. Choreografierte Situationen, für eine Formwandlerin. Gesetzte Settings, die den Materialien eine Eigendynamik nicht nur erlauben, sondern erst ermöglichen. Von einer genauen Beobachterin begleitet, die den Prozessen beiwohnt und das Inszenierte aufzeichnet. Verschwinden die Arbeiten doch zum Teil oder vielmehr: wandeln ihre Gestalt, ihre Konsistenz, ihre Aggregatzustände.
    Vague. Vage. Etymologisch ist vage aus dem Französischen vague aus dem Lateinischen von vagus entlehnt, was ‚umherschweifend, umherstreifend, unstet, ungebunden‘ bedeutet. Auch: ‚unbestimmt, ungewiss, verschwommen‘. Vague kann sich auf Kontouren und Silhouetten beziehen, die undeutlich erscheinen und sich nur schemenhaft zeigen. Vague kann aber auch die Welle sein, die in der Bewegung des Meeres bricht und in immer neuer Variation wiederkehrt.
    In der Vagheit der Arbeiten, in ihrem Entgleiten wird jedoch genau etwas greif- oder vielmehr spürbar. Das Unstete wird zelebriert. Es bekommt Formangebote in experimentellen Settings, wie präzise Bühnen für die Prozesse der Materialien selbst. Wir als Betrachter*innen können daran teilhaben. Wahrnehmen. Die Dinge gleiten aus den Händen und werden zu etwas, was sie vorher schon waren, nur anders.

    Wiebke Schwarzhans

    Imponderable Clouds.
    For a Shapeshifter

    Clouds are accumulations of very fine water drops or ice crystals in the atmosphere. They first become visible through radiation and then reveal themselves to the human eye as the shape that we refer to as clouds in the sky. Different states of water appear in Saskia Bannasch’s works. Meltwater. Rain puddles. Ice crystals. Repeatedly, it is also a matter of moving back and forth between something clearly defined and something that withdraws again and is in transformation. A cloudy outlook. Sometimes the question also arises as to what the actual work is. An image. A process. A performance. The precise observations formulate themselves into a processual reflection. Again and again, a moment is briefly captured, only to be passed on again.

    One can ‚wrap oneself in a cloud‘. Made of words. Of fabrics. In „Later everything will be different“ we see a stone desert in shades of gray. In the center of the picture, a body is wrapped in gray fabric with a black lining. We hear wind. Iceland. In view of the imposing and threatening forces of nature, it is important to keep a balance, to find a way of dealing with the unpredictable, to give room to endurance and perhaps also to a form. Thus, we see a figure as an outlined body wrapped in ever new draperies. How it appears in the figure-ground game of the video loop and dives into the monochrome landscape.

    Saskia Bannasch causes a puddle to sound. She freezes the cloudy gray-yellow rainwater and allows it to thaw, slowly dripping onto a copper plate in the exhibition room. An elaborate construction, like an experimental setup, only for a puddle, as the work is also entitled: „Just a puddle“. Amplified by contact microphones, the sound of the melting ice puddle fills the exhibition space. It takes a while until the first tinny sounding drop can be heard. Then silence occurs, until a conglomeration of drops occupies the room. The water in turn leaves traces on the sensitive copper sheet. In nuances, the puddle’s presence has been transformed.

    How to create an „Archive of the Ephemeral“? In photographs, transformational processes of things and materialities are accompanied, protected, and captured. Condensed, thickened rice sugar that becomes like plastic and winds its way smoothly and viscously over a piece of coal („To be true blue“). A Monkey Fist knot covered with salt crystals floating in a photographically cut glass cylinder. The metamorphosis of a Kombucha mushroom into an“Unknown flying object“, which looks like a deformed beige burger or an alien-like macaron. The shiny-slippery presence in a caramel tone with white veils is documented above ground. The unknown object becomes more leathery, dries out slowly, condenses, loses its shine, intervenes more and more into the photographic background. During the precisely observed process, the mushroom renders it visible by drawing folds in the fabric where no gaze should actually cling to it.
    The surreal settings of the archival moments show ephemeral situations that elude clear classification. Under the precise gaze of the set image detail, the familiar becomes positively eerily bizarre.

    A wet, folded, frozen fabric on a frame made of copper pipes: „drop II / the radiator“. Four meters of fabric are compressed by being folded to half a frozen meter. As time passes, the sculpture unfolds in the exhibition space: the state of cool compactness becomes a fabric in a slowly moistened fall. The processual unfolding alters the sculptural setting, the fabric winds itself on and around the copper pipes on which it was still frozen and firmly defined at the beginning. The process of unfolding can be viewed patiently; thawing is a process that progresses in leaps: The fold stretches and falls. The fabric slowly smoothens itself due to its moistened deadweight.
    At first glance, „drop I, quickmatch“ gives me the impression of elegant sweets: In the exhibition space, a spherical shape is placed on a copper pipe, which consists of an iced red fabric. It could also be a blossom, like an abstract digital rose. The title refers to matches and fuses, but nothing will burn in this coolness. The association with the oversized lollipop also tilts in the course of time: a dew process develops, which makes or lets something else emerge from the sculptural setting in the very next moment. An unfolding begins, with gravity pulling the wet red fabric towards the floor, and finally we are confronted with a fabric panel that, somewhat resembling a hanging flag, announces something that defies our classification.

    In the arrangement of experimental settings, the artistic works of Saskia Bannasch are created in-between controlled coincidences and cool precision. However, they do not obey scientific criteria, but rather aesthetic ones. In the work „past earthquake,“ a board fitted with countless nails leaves rusty traces on delicate fabric. Placed in a brine over weeks, the components influence each other. The rust mark remains present even when the textile is washed, becoming part of the pleated installation. Stretched on two wooden half arches, the finely folded fabric casts layers of shadows on the wall. The nails hammered into the wood echo only as a rust-brown coloration. The title evokes the so-called calm after the storm, the strange silence after impressive (natural) events. Sensations that quake even further, that leave manifest traces. In subtle gestures, the artist develops a sculptural space out of it, which speaks of a tenderness of things.

    Her works reveal themselves as artistic and exploratory observations. They are interested in processes and are developed in motion. Choreographed situations, for a shapeshifter. Allotted settings that not only allow the materials to develop their own dynamics, but make them possible in the first place. Accompanied by a precise observer, who attends the processes and records the staging. The works disappear in part, or rather: change their form, their consistency, their aggregate states.
    Vague. Vage. Etymologically, vague is a borrowing from the French vague, which is borrowed from the Latin vagus, which means ‚roving, wandering, unsteady, unbound‘. Also: ‚indeterminate, uncertain, blurred‘. Vague can refer to contours and silhouettes that appear indistinct and are only dimly visible. But Vague can also be the wave that breaks in the movement of the sea and returns in ever new variations.
    In the vagueness of the works, in their slippages, however, something is grasped or rather felt exactly. The unsteadiness is being celebrated. It receives offers of form in experimental settings, like precise stages for the processes of the materials themselves. We as viewers can participate in this. Perceive. Things slip out of our hands and become what they were before, only different.

    Wiebke Schwarzhans, Marius Henderson (translation)